Lipno08 - Backstage
Hier seht ihr den "Reisebericht" zum Turnier in
Lipno - also über das, was nicht rein sportlich so gelaufen ist. Ich will
mal möglichst alles überspringen, das schon vor Jahrzehnten bei den
berüchtigten Dia-Abenden keinen, aber wirklich keinen, interessiert hat. Ein
paar Impressionen dürfen dafür ruhig sein - und sei es, um das Flair zu
vermitteln, das diese Turniere
umgibt:
Dann doch gleich in medias res - was zum Kuckuck ist Lipno?
Das traditionelle Turnier wird am Lipno-Stausee im Oberlauf der Moldau
ausgetragen. Ein gewaltiger Stausee mit inzwischen allen modernen
Tourismus-Einrichtungen, wie man sich das eben so vorstellt. Und einer
herzigen Marina, in der das Polo-Spielfeld aufgebaut war.
Lipno - an Wochenenden wie diesen sah man an jeder Ecke - und
das meine ich wörtlich - Boote, Boote und Boote. Man hatte fast den
Eindruck, wer kein Paddel dabei hat muss irgendwie seine
Existenzberechtigung nachweisen... Einfach erklärt, warum: Unter der
Staumauer liegt eine wunderschöne, anspruchsvolle Wildwasser-Strecke, auf
der gerade die Tschechischen Meisterschaften ausgetragen wurden. Und nach
der Rennstrecke ein beeindruckender Canyon zum Befahren. Was etwa am
strahlend schönen Samstag ausgibigst genutzt wurde: In den Walzen, Schwällen
und sonstigen Gischten herrschte ein Verkehr, dass man nahezu einen Blinker
am Boot brauchte, um sich einzuordnen...
Der Spaß ist allerdings zeitlich eng begrenzt. Nur wenn an der
Staumauer zusätzliches Wasser abgelassen wird, gibts Whitewater. Sobald der
Hahn zu ist, ist dieses Stückchen Moldau ein herziges, steiniges Gerinsel,
in dem müde Wanderer ihre Füße kühlen können.
Am Stausee selber, gleich neben der Marina, haben wir zu viert
- Frank, Wolfgang, Felix und Heinz - am Campingplatz zwei Zelte
aufgeschlagen. Freitag spätabends bei Dunkelheit mit Taschenlampen. (Was
prompt zur Genieleistung von Heinz geführt hat, das kleine Beizelt auf die
einzige Grube im Umkreis zu stellen - Felix hat sichs beinhart trotzdem als
Einzelzimmer ausgesucht :-) ). Doch so lustig gings nicht weiter. Um halb
zehn sagte Alex sein Nachkommen telefonisch ab - seine Freundin wurde akut
in der Nacht operiert. Dabei wollte er, den halben Sommer über ohnehin
verletzt, unbedingt dabei sein. Tja.
Ein sommerlicher Samstagmorgen, und das nicht ganz ungewohnte
Bild: Wolfgang kommt dynamisch vom Joggen - der Rest ist zu jeder Schandtat
bereit, um am Kaffee von Franks Campingkocher Anteil zu erhalten ;-) Wir
spielen erst um zehn, also gemach. Wegen der Teamleader-Besprechung sind wir
trotzdem um acht in der Marina, gemütlich Kanus herrichten, bisschen gucken
und so, soweit die Augen halt zu öffnen sind, und die Knochen grobmotorisch
bewegbar. Mitten in die Idylle rein die Frage der Turnierleitung:
"Die Rosenheimer, die jetzt dran sind, sind noch nicht da. Wollt ihr euer
Match vorziehen?"
"Na klar, mach ma schon, wann denn?"
"Na jetzt, in fünf Minuten..."
Halleluja, aber eine Frage der kollegialen Ehre. Bundesheer
lässt grüßen, Alarmstart geglückt, wir waren zur Stelle, sogar mit allen
Paddeln und was man so Zeugs alles braucht. Und mit einem fünften Mann - den
aus dem Boden gezauberten Pavel als Leihspieler konnten wir gerade noch
fragen wie er heißt, und dann gings los. Ruhmreich ist anders, aber sooo
schlecht haben wir wirklich nicht ausgeschaut, ehrlich nicht.
Kurze Pause, und gleich weiter gegen Nürnberg. Die späteren
Finalisten ließen uns wenig zu lachen, Aber wenigsten hatten wir danach viel
Zeit bis 16 Uhr, unsere Geister und Knochen neu zu organisieren, und etwas
die Gegend zu erkunden - auf zur Slalomstrecke.
Das weithin deutlichste war der dort kommentierende
Platzsprecher: Der Mann muss irgendwo einen Turbo in der Lunge versteckt
haben. Wie kann jemand in dem Höllentempo, ohne Luftholen, quasi stundenlang
und mit nie auch nur einen Hauch nachlassender Erregung berichten, was
gerade los ist? Und das oft so schnell, dass man dachte, der will sich jetzt
selber überholen. Wow. Ob das Maschinengewehr mit Worten auch einen Sinn hatte, entzieht sich
unserer Kenntnis - unsere Tschechisch-Kenntnisse sind, sagen wir, limitiert
;-)
Was Wolfgang fachkundig für uns kommentierte, zeigen am besten
ein paar Bilder:
Hinweis für allfällige Interessenten: Natürlich war rundum
Volksfest samt Verkaufsständen für Boot und Zubehör. Interessante Produkte,
die Tschechen haben durchaus was zu bieten - aber die Zeit der
Schnäppchenpreise ist vorbei, gute Ware kostet auch "drüben" gutes Geld. Was
insofern schade war, weil unser Junior Felix dringendst eine Spritzdecke
brauchte, nur so richtig zwingend drängte sich nichts auf.
Soweit waren wir uns einig: dieses Kajak für Felix is
irgendwie, na sag ma, doch a bissl eng, oder?
Weiter zum Canyon. Auf dem alles runtergespült wurde, das
irgendwie schwimmfähig war: Slalom- und Regatta-Boote, Playboats, Rafts
aller Größen, mit jeder Zahl an Besatzung, Aufblasbares oder aus Polyester -
nur Schwimmreifen waren glaub ich nicht dabei ;-) Auf den Steinen direkt
daneben sitzend, passierte uns im zehn-Sekunden-Takt die Leistungsschau des
Wildwasserfahrens. Leider auch ein einsam verlassenes Regattaboot, das es
gerade noch durch eine große Walze schaffte, um dann hundert Meter weiter an
einem verflixten Stein sein Dasein auszuhauchen:
Aussteigen und schwimmen geht ja noch, gehört auch dazu, aber
die verheulten Augen des Mädels, das dann am Ufer neben dem
verklappmesserten Überrest stand, gingen einem doch nahe.
Wieder zurück am Spielfeld durften wir Rosenheim kennenlernen.
Und eine weitere Facette dieses Sports: Die konnten sich noch gut an das
Ybbser Team erinnern - das mittlerweile gut ein Jahrzehnt verschwunden war
und sich - wir werden es in drei Wochen in Wien sehen - gerade neu formiert.
Das mit dem Altersmix in der Branche ist nämlich so eine Sache, sowohl an
Lebensalter als auch an "Polo-Alter". Dazu später. Wir hielten uns recht
wacker, lieferten ein spannendes Match, und wurden durchaus zu Recht vom
Platzsprecher als "wie ausgewechselt" kommentiert. Was uns im Folgematch
eher wenig half...
Budapest 1, also quasi das ungarische Nationalteam, ist eine
eigene Betrachtung wert, und das wörtlich: Ganz in Schwarz antretend, halten
einen auch die einheitlich pinken Oberdecks der Boote kaum davon ab, etwas
in der Art von "Rückkehr der Yedi-Ritter" zu denken. Mit einer Seelenruhe,
überlegt wirkend, dafür präzise und blitzschnell zuschlagend, fühlte man sich
einer Roboter-Armee gegenüber. Nicht zuletzt deshalb, weil hier - liebe
deutsche Freunde (*g*) - kein Kasernenhof-Kommando-Stakkato über die Marina
schallte, sondern gar nix. Und weil keiner sichtbar eine Mine verzog - keine
sichtbare Emotion hinter den schwarzen Schutzgittern. Wer die ausgelassene,
feierfröhliche und herzliche Gruppe abends beim Fest sah (kommt gleich),
wäre nie auf die Idee gekommen, dass das dieselben wären... Stark. Naja, am
Wasser auch stark, wir haben ziemlich Prügel bezogen.
Irgendwann drückte uns jemand einen kleinen Zettel in die
Hand, der sich als Einladung zur Tour-Party abends am Campingplatz
herausstellte. Wo wir klaro und frisch frisiert aufkreuzten. Also mit
Umwegen halt - die Nasen schon in einem ansprechenden Buffet, stellten wir
fest, dass am anderen Ende eine zweite Party stieg, und wir natürlich prompt
erstmal bei der falschen waren :-) Bei der richtigen angelangt, fand sich
dort nicht nur Bass-starkes und Beamer-Show, sondern irgendwann auch schräg
gekleidete Girls samt Engelsflügel, Netzstrümpfen und viel Alufolie - einer
der Ungarn hatte in einer Woche Hochzeit, man integrierte die Bachelors-Party (Polterabend) gleich ein, die Girls gehörten zu einer
gelungenen Theatershow für den Bräutigam, und entpuppten sich als das
Budapester Damenteam ;-) Es wurde eine ausgelassene Sache, und durchaus
flüssig genug, um leichte Zweifel an der morgigen Budapester Kampfkraft zu
hegen. Wir strichen etappenweise doch beizeiten die Segel um es im
sportlichen Sinne nicht zu übertreiben. Bei der Party bis gut vier in der
Früh waren wir sowieso weiter live dabei: Zeltwände sind akustisch kaum ein
Vorhang, und unsere waren knapp hundert Meter neben der Action *g* Das
Feuerwerk genossen wir schon noch live. Also eigentlich die Feuerwerke, denn
an mindestens zwei Orten am See wurde eine Runde Silvester eingelegt.
Den dann leider schon bewölkten Sonntagmorgen verbrachten wir
nach dem Abbau doch sehr früh wieder an der Pitch in der Marina. Insgeheim
auch deshalb, um "zu sehen, wie diiie heut im Boot sitzen..." Das Ergebnis
gab den älteren Semestern unter uns doch eine Hauch von Neid ins Antlitz:
als wär nix gewesen... So ist das, wenn man, altersmäßig gesehen, gegen
seine Kinder spielt ;-)
Apropos Spiel, Nachtrag für Neueinsteiger zum Thema
Leihspieler. Es ist bei den Turnieren durchaus üblich, dass Teams nicht
komplett sind, und Spieler auf die Schnelle "ausgeborgt" werden. Wie auch
sonst alles mögliche hin- und hergeborgt wird. So heftig es am Wasser oft
zur Sache geht, so kameradschaftlich geht es am Ufer weiter. Wundern Sie
sich daher nicht, wenn auf Fotos Gesichter in mehreren Teams auftauchen, und
in Ergebnislisten schräge Mix-Mannschaften stehen. Kann taktisch ein
Nachteil sein, oder auch nicht. Für uns war etwa Remko aus Holland eine
echte Verstärkung. Beeindruckendes Ballgefühl, der Junge.
Und weil wir grad dabei sind, ein Trost für
alle, die nicht ganz so eskimotierfest sind: Auch Profis kanns gelegentlich
passieren, dass sie in gar nicht heldenhafter Pose eine randvolle
Plastikschüssel mühsam ans Ufer schubsen müssen... Hier ging ein "mehrlagiger"
Tumult vor dem Tor voran.
Mittagessen und so, von wegen Holland: Holländisch
beschilderte Ferienhäuserangebote und Speisekarten in Tschechisch,
Holländisch und Deutsch. Nur zwischendurch, als touristischer Seitenblick
;-)
Bei unserem abschließenden Spiel gegen die ungarischen Damen war auch
deren Torfrau wieder auf der Höhe, nachdem sie frühmorgens durchaus zurecht
etwas bleischwer wirkte. Wir nahmen es grinsend zur Kenntnis, so wie das
Wetter. Mittlerweile regnete es nämlich in Strömen. Nur eine Frage blieb bis
dato ungelöst: Wir verbringen den halben Tag auf dem Wasser, und den halben
Tag unter dem Wasser - warum bitte, drängt sich alles nach dem Aussteigen
beim Zuschauen dicht an dicht unter die Regenschirme?
Mit dieser Frage lasse ich sie alleine, denn die Schilderung
der ereignislosen, friedlichen Heimfahrt hat schon weiland beim Dia-Abend
niemanden vom Hocker gerissen.
Bis zum nächsten mal,
Heinz |